Die ursprüngliche Idee von Airtango war es, Flugzeuge mit schnellem Internet auszustatten und Reisenden besseres Entertainment zu bieten. Investor:innen und Airlines waren interessiert, doch es haperte an der Umsetzung. Ein neues vereinfachtes Geschäftsmodell musste her, das umsetzbar war und auf der bisherigen Arbeit aufbaute.
Heute erstreckt sich das Leistungsspektrum von Airtango von der Produktion und Distribution von Live- und Video-Content für Digital-Out-of-Home-Screens in Sport-, Gesundheit- und Lifestyle-Einrichtungen bis hin zur übergreifenden Vermarktung der angebotenen Media-Leistungen. Insgesamt zählen über 3.200 Screens an mehr als 700 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Airtango-Inventar.
Damit ist Airtango inzwischen nicht nur der Marktführer in der DACH-Region, sondern schreibt auch schwarze Zahlen. Wir haben mit Steffen Knödler über seinen größten Fuck-up gesprochen – und was er daraus gelernt hat.
t3n: Herr Knödler, wie kam es zur Gründung von Airtango?
Steffen Knödler: Mir war recht früh klar, dass ich etwas erreichen will – was mir fehlte, war ein konkreter Plan. Nach meinem Hauptschulabschluss habe ich eine Ausbildung zum Maschinenschlosser gemacht. Ich habe aber schnell gemerkt, dass mich dieser Beruf nicht ausfüllt. Also habe ich mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt und ein Diplomstudium im Maschinenbau absolviert.
Nach meinem Masterabschluss in Birmingham ging es für mich zur Lufthansa Technik nach Frankfurt. Während dieser Zeit kam mir auch die Idee für mein erstes Unternehmen Proveo, das ich gemeinsam mit meinem Bruder gründete. Unser Produkt: eine Software zur Optimierung der Flughafenprozesse. Das lief super. Sieben Jahre nach Start haben wir unser Unternehmen sehr lukrativ an einen börsennotierten amerikanischen Konzern verkauft. Seitdem bin ich in der Startup-Szene unterwegs, aktuell mit Airtango.
t3n: Herr Knödler, 2017 standen Sie mit Airtango kurz vor dem Aus, die Insolvenz drohte. Warum?
Knödler: 2016 haben wir Airtango gegründet – mit einem völlig anderen Fokus als heute. Unsere Businessidee war damals, Flugzeuge mit schnellem Internet auszustatten und die Reisenden mit besserem Entertainment und attraktiven Shoppingmöglichkeiten zu begeistern. Wir haben für das Konzept gebrannt und meine Kontakte aus der Vergangenheit haben sehr geholfen.
Doch bei der Umsetzung sind wir auf viele Hürden gestoßen und so war unser Start-Kapital schnell erschöpft. 2017 drohte die Insolvenz. Als Startup in diesem Segment bist du auf Kapitalgeber angewiesen, um deine Geschäftsidee voranzutreiben und am Markt zu bestehen. Wir standen vor dem Aus.
t3n: Wann haben Sie gemerkt, dass da etwas schiefläuft?
Knödler: Es gab nicht diesen einen Moment, eher mehrere Anzeichen. Nach und nach stellte sich die Erkenntnis ein, dass wir mit unserem Business einen Fehlstart hingelegt haben und nicht mehr auf die Beine kommen werden.
Es waren nicht nur die Zahlen, die nicht mehr stimmten, sondern auch mein Bauchgefühl. – Steffen Knödler, Co-Gründer und CEO von Airtango
Die Idee war leider eine Nummer zu groß für uns. Wir mussten uns eingestehen, dass uns als Startup die nötige Teamkapazität und Finanzkraft fehlten. Das war bitter.
t3n: Wie haben Sie das korrigiert?
Knödler: Wir mussten eine klare Entscheidung treffen – statt ganz aufzugeben, wollten wir eine neue Businessidee für Airtango entwickeln. Wir haben auf unser Know-how und die bereits vorhandenen Ressourcen vertraut und eine neue Richtung eingeschlagen.
Ich wollte die ursprüngliche Businessidee aber erst dann als gescheitert abstempeln, wenn wir eine Lösung für die Zukunft von Airtango gefunden hatten. Klar war, dass wir lieber ein erfolgreicher Player in einer Nische sein wollen, als ein kleines Licht in einem großen Markt voller Konzerne.
t3n: Was waren dann die nächsten Schritte?
Knödler: Wir haben uns verkleinert, vor allem räumlich, die Kosten reduziert und einen harten Cut gemacht. Von Frankfurt ging es zurück nach Crailsheim in unsere gewohnte Umgebung.
Gerhard [der Airtango-CFO; Anmerkung der Redaktion] und ich haben alle Gesellschafter an einen Tisch gebracht und uns persönlich das Commitment für eine neue Geschäftsidee eingeholt. Das Team und die Investor:innen haben die Entscheidung mitgetragen, dass wir uns neu aufstellen.
Wir wollten künftig auf dem Digital-Out-of-Home-Markt eine Nische besetzen: TV-Screens in Fitness-, Sport- und Gesundheitseinrichtungen. Ab da ging es wieder bergauf, wenn auch langsam. Uns war bei dem ganzen Prozess sehr wichtig, selbstbestimmt zu bleiben und das Unternehmen nach unseren Vorstellungen und Idealen zu führen.
t3n: Wie stellen Sie sicher, dass so etwas nicht wieder passiert?
Knödler: Das ist schwierig zu beantworten. Bei neuen Ideen und der Gründung von Startups merkt man oft erst am Markt, ob etwas funktioniert und wo die Schwachstellen liegen.
Keine Gründerin und kein Gründer kann ein neues Business so planen und den Markt antizipieren, dass alles glatt läuft. Das ist immer „Trial and Error“.
Es geht nur darum, wie flexibel man bei Stolpersteinen reagiert und wie sehr man in sein Team, die Investoren und die Idee vertraut.
t3n: Wie stehen Sie zum Thema Fehlerkultur insgesamt?
Knödler: Mein Motto ist „think big“, dabei wird man auch mit Fehlern oder Fehlentscheidungen konfrontiert. Das gehört einfach zum Leben, vor allem zum Businessleben.
Wichtig ist nur, dass man sich nicht aus der Bahn werfen lässt und aus seinen Fehlern lernt.
t3n: Was sollten unsere Leser:innen noch unbedingt wissen?
Knödler: Ich bin seit mehr als 20 Jahren in der Startup-Szene mit skalierbaren Digitalprodukten unterwegs und durfte viele Erfahrungen sammeln.
Mein Learning: Das Vertrauensverhältnis zwischen den Finanzgeber:innen und dem Gründungsteam, vor allem bei kaptalintensiven Businessideen, ist unglaublich wichtig und oft entscheidend dafür, ob ein Unternehmen in schwierigen Phasen überlebt.